PeerSharing: Sharing Economy zwischen Gemeinwohl und Gewinn

Fachkonferenz: Sharing Economy zwischen Gemeinwohl und Gewinn - Neue Herausforderungen für Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik

Datum: Mittwoch, 15. Juni 2016

Ort: Hotel Aquino Tagungszentrum Katholische Akademie, Hannoversche Str. 5b, 10115 Berlin

Veranstalter: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg

Zusammenfassung der Fachkonferenz

„Sharing Economy ist ein Trendthema, das kontrovers diskutiert wird“, so Dr. Siegfried Behrendt vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), der damit die Konferenz „Sharing Economy zwischen Gemeinwohl und Gewinn“ kaum passender hätte eröffnen können. Siegfried Behrendt ist Teil des Projektteams des Forschungsvorhabens „PeerSharing“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm Sozial-ökologische Forschung (SÖF) gefördert und vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gemeinsam mit dem IZT und dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) bearbeitet wird. Das Projekt geht der Frage nach, wie nachhaltig Peer-to-Peer Sharing, also Teilen im Privatbereich über Online-Plattformen ist. Mögliche Antworten darauf sollten auf der Konferenz gefunden werden.

Sharing Economy auf den richtigen Weg bringen

Zu der Frage, welche Leitplanken die Sharing Economy braucht, nahmen zwei Praxisvertreter der Sharing Economy Stellung. Heiko Barnerßoi, Geschäftsführer von Drivy, europäischer Marktführer privater Autovermietung und über einer Millionen Nutzer/innen, berichtete eingangs von der dynamischen Entwicklung des Unternehmens und weiteren Expansionsplänen. Drivy sei eine kommerziell ausgerichtete Plattform und verfolge Wachstums- und Gewinnziele. Dies stünde aber nicht im Widerspruch zu Umweltschutz. Die bessere Auslastung bestehender Privatfahrzeuge durch die Vermittlungsdienstleistung von Drivy könne Umwelt und Ressourcen schonen helfen – eine Annahme, die im Projekt PeerSharing ökobilanziell untersucht wird. Marko Dörres Geschichte klang anders: Er ist Gründer der Berliner Nachbarschaftstauschplattform Fairleihen, der das „Weltverbessern in Teilzeit“ von Anfang an ehrenamtlich und spendenfinanziert betreibt. Auf der Plattform können Privatpersonen eher im nachbarschaftlichen Umfeld Dinge unentgeltlich untereinander verleihen. „Economy ist für Fairleihen kein Thema“, so Marko Dörre. Fairleihen habe kein Geschäftsmodell – es ginge ums Gemeinwohl.

Zwischen Sharing-Optimisten und Dumpinglöhnen

Gutes oder schlechtes Teilen? Keynote-Redner Prof. Dr. Reinhard Loske von der Universität Witten-Herdecke griff die beiden vorangegangenen Praxisbeispiele auf: „Bei Besitzfragen geht es nicht um Rationalität – das sind größtenteils emotionale Entscheidungen. Menschen tauschen und teilen seit sie in Gemeinschaften leben. Mit der dynamischen Entwicklung der Sharing Economy entstehe ein Spannungsfeld, das das idealistische, womöglich altruistische Momentum zurückdrängen würde. Ökologische Entlastungseffekte gehen durch die zunehmende Kommerzialisierung zurück – so argumentieren zumindest diejenigen, die Loske als „Sharing-Pessimisten“ bezeichneten. Sie bangen um Sozialstandards und das soziale Klima. Andere, die „Sharing-Optimisten“ sehen in der Ausbreitung der Ökonomie des Tauschens den Siegeszug einer kooperativen statt einer kompetitiven Gesellschaft. Für Loske stand fest: Es gibt keinen Automatismus, der eine nachhaltige Transformationsrichtung vorgibt und so bedarf es politischer und gesellschaftlicher Gestaltung im Umgang mit der Sharing Economy. „Wir brauchen ein dynamisches und lernendes Regelsystem“, forderte der Nachhaltigkeitsforscher und verwies dabei auf (De-)Regulierungsbedarfe, die auch auf kommunaler Ebene angesiedelt sein könnten.

Große Potenziale für Peer-to-Peer Sharing

Was die Bevölkerung vom privaten Teilen auf Internetplattformen hält, hat eine repräsentative Befragung von über 2.000 Personen in Deutschland ergeben, die Dr. Gerd Scholl, Projektleiter und Senior Researcher am IÖW, vorstellte. Peer-to-Peer Sharing sei demnach weiterhin ein Nischenphänomen. Auch wenn große Potenziale für die zukünftige Nutzung festgestellt werden könnten, seien diese kleiner als in manch anderer aktueller Studie angenommen. Der von den Befragten erwartete Umweltnutzen und die soziale Norm beeinflussen laut Befragung das Potenzial für Peer-to-Peer Sharing am stärksten. Etwa die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland sei für Peer-to-Peer Sharing erreichbar. „Soziodemografisch betrachtet, ist die Zukunft des Peer-to-Peer Sharing eher weiblich“, fasste Scholl zusammen.

Kontroversen der Sharing Economy

Auch der Impulsvortrag von IÖW-Wissenschaftler Dr. Jan Peuckert beschäftigte sich mit den Kontroversen des Teilens. Neben den üblichen Interessenskonflikten der Betroffenen bei konkreten Regulierungsfragen, ist die Heftigkeit der allgemeinen Debatte um die neuen Formen des Teilens im Wesentlichen auf die Widersprüche zweier gegensätzlicher gesellschaftspolitischer Diskurse zurückzuführen. Beide seien als wichtige Treiber und Anknüpfungspunkte der Sharing Economy anzusehen: die neoliberale Wirtschaftsordnung einerseits und eine wachsenden Gemeinschaftsorientierung andererseits. Welche Richtung die Sharing Economy in Zukunft einschlagen werde, sei allerdings noch offen; die Szenarien würden dabei von gemeinnützigen und entmonetarisierten Nutzungsformen bis hin zum „Plattformkapitalismus“ reichen. Um zu entscheiden, welche Angebote politische Unterstützung erfahren sollten, müssten diese weiter ausdifferenziert werden. „Um Richtungssicherheit im Sinne von Gemeinwohlorientierung, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfairness zu gewährleisten, müssen normative Differenzierungen vorgenommen, geltende Regulierungen modernisiert und neue Formen der Selbst- und Koregulierung genutzt werden“, so der Wirtschaftswissenschaftler in seinem abschließenden Ausblick.

Teilbar: Wohnung, Auto, Babystrampler

In parallelen Workshops wurden anschließend die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Teilens in den Bereichen Unterkünfte, Mobilität und Gebrauchsgegenstände diskutiert. Die Debatte um das sogenannte Apartment-Sharing auf Portalen wie Wimdu oder Airbnb bewegte sich dabei zwischen dem Postulat authentischer Reiseerlebnisse, der Forderung von Verboten kurzzeitiger Vermietungen und Bedenken rund um Sicherheits- und Verbraucherschutzfragen. Als gemeinsame Herausforderungen identifizierten die Workshop-Teilnehmenden den Mangel an Wohnraum in Ballungsgebieten wie Berlin, ungleiche Bedingungen für private Vermietungsportale und die Hotelbranche und zukünftige Regulierungsmöglichkeiten sowie deren Durchsetzung und Kontrolle. Dr. Siegfried Behrendt, der diesen Workshop moderierte, fasste zusammen: „Es wurden viele offene Fragen benannt; ein gemeinsamer Lösungskonsens ist nur schwer zu finden“. Der Workshop zu geteilter Mobilität zeigte erneut, dass zielgerichtete politische Interventionen eine Differenzierung der Modelle notwendig macht. Zu unterschiedlich seien die Wirkungen des Ridesharings, privaten Carsharings oder der bedarfsorientierten Mobilitätssysteme auf dem Land, und damit auch die Förder- und Regulierungsbedarfe. „Benötigt werden hybride und dynamische Förderinstrumente, um die vielfältigen Potenziale der Shared Mobility für Umwelt und Gesellschaft zu realisieren“, so Maike Gossen, die Moderatorin des Workshops. Thema des dritten Workshops, den Christine Henseling vom IZT leitete, war das Teilen, Tauschen und (Ver-)Kaufen von Secondhand. Insbesondere beim Wiederverkaufen und der Abgrenzung der privaten zur kommerziellen Nutzung bestünden Informationslücken und politische Handlungsmöglichkeiten in Hinblick auf Regulierung und Steuerung: egal ob bei gebrauchter Babykleidung, Bohrmaschinen oder Kleinmöbeln.

Quo vadis – Wie viel Regulierung braucht die Sharing Economy?

Unter den Konferenzteilnehmenden bestand Einigkeit darüber, dass politische Interventionen differenziert erfolgen und dabei auch die Zivilgesellschaft und weitere Stakeholder eingebunden werden sollten. Gemeinwohlorientierte Vereine und Initiativen sowie gewinnorientierte Unternehmen sind gleichermaßen Akteure der Ökonomie beziehungsweise der gesellschaftlichen Bewegung des Teilens; ihre Beurteilung müsse differenziert vorgenommen werden, um letztlich die Nachhaltigkeitspotenziale der Sharing Economy heben zu können. Es bleibt in jedem Fall spannend, ob und wie sich Peer-to-Peer Sharing vom Nischen- zum Massenphänomen entwickelt und wer diesen Prozess mitgestalten wird.

Hier geht es zum Download des Programms der Konferenz (PDF).

Hier geht es zur Dokumentation